Forschungen in Pécs

Cutting-edge Hirnforschung, 3D-Druck und virtuelle Realität auf der HUNOR-Mission: Pécser Forschungsprojekte an Bord der Internationalen Raumstation

Hirnforschung in der Schwerelosigkeit, die Wirkung der Mikrogravitation auf 3D-gedruckte Strukturen und eine virtuelle Raumstation – drei innovative Entwicklungen aus Pécs, die zur Weltspitze gehören, zeigen: Ungarn und die Universität Pécs beanspruchen ihren Platz in der Raumforschung der Zukunft. Die Forscher der Universität Pécs arbeiten im Rahmen des ungarischen Astronautenprogramms HUNOR an Projekten, die zentrale Fragen für die nächsten Jahrzehnte der Weltraummission beantworten sollen: Wie verändert sich das menschliche Gehirn und die Wahrnehmung im All? Welche Materialien eignen sich für den 3D-Druck auf der Internationalen Raumstation? Und wie widerstandsfähig sind diese unter außerirdischen Bedingungen? Darüber hinaus arbeitet die Universität im Rahmen eines Konsortiums an einem besonderen Paprikagewächs, das vollständig essbar ist und gleichzeitig in seinen Blättern gezielt Vitamine und Spurenelemente anreichert – genau jene Mikronährstoffe, die Astronauten in höheren Dosen benötigen.

Mit dem Start von Tibor Kapu zur Internationalen Raumstation ist nicht nur Ungarn, sondern auch die ungarische Lebenswissenschaft zurück im Weltall. Die HUNOR-Mission eröffnet Ungarn eine neue Ära in der Raumfahrt und gibt der heimischen Forschung die Möglichkeit, die Reaktionen des menschlichen Körpers und moderner Technologien unter den extremen Bedingungen der Schwerelosigkeit direkt zu untersuchen. Die Universität Pécs ist mit drei eigenen und zwei Konsortialprojekte an der Mission beteiligt – und eröffnet damit neue Perspektiven in der 3D-Drucktechnologie, der Hirnforschung unter Nullgravitation und im Bereich medizinisch-biologischer Experimente.

ESEL3D – Wie gut hält Zukunftstechnologie dem Weltall stand und können wir damit in der Zukunft rechnen?

Die Forschungsgruppe PTE-3D–ESEL3D der Universität Pécs führt im Rahmen des HUNOR-Programms materialwissenschaftliche Untersuchungen durch. Ziel des Projekts ist es, zu analysieren, wie die Bedingungen im All – wie Mikrogravitation, kosmische Strahlung oder Vibrationen beim Start und bei der Rückkehr – die Struktur sowie die mechanischen und mikrobiologischen Eigenschaften von 3D-gedruckten Materialien beeinflussen. Das Team des Zentrums für 3D-Druck und Visualisierung an der PTE erforscht, welche 3D-gedruckten Materialien für die Herstellung von Bauteilen im Weltraum eignen – was auch neue Möglichkeiten für nachhaltige, lokal produzierte Technologien eröffnen könnte.

Zu den ins All gebrachten Testmaterialien gehören native Polymere (Kunststoffe), Polymer-Kohlenstoff- sowie Polymer-Metall-Komposite. Die Forscher untersuchen sowohl kurzfristige als auch langfristige Effekte der Weltraumbedingungen, indem ein Teil der Proben mit Tibor Kapu im Rahmen der Axiom-4-Mission zur Erde zurückkehrt, während die übrigen bis Dezember auf der Internationalen Raumstation bleiben und mit dem Versorgungsflug SpX-33 zurückgebracht werden. Nach der Rückkehr werden die Proben analysiert und mit identischen Kontrollmaterialien von der Erde verglichen.

MagyAR – Hirnfunktion, Bewegung und Wahrnehmung unter Mikrogravitation

Das Projekt MagyAR (Neuromotion VR), das ebenfalls von Forschern aus Pécs geleitet wird, untersuchte kognitive und physiologische Veränderungen im Weltraum mit Hilfe einzigartiger technischer Hilfsmittel. Die Forschung könnte Antworten darauf liefern, wie sich die geistigen Fähigkeiten während einer Weltraummission verändern und welche Gehirn- und anderen physischen Prozesse dabei eine Rolle spielen.

Im Weltraum verändern sich zahlreiche normale Körperfunktionen, einer der Hauptgründe dafür ist die Schwerelosigkeit. Wenn sich der Körper nicht richtig anpasst, kann das Kreislaufsystem gestört werden: Die Effizienz des Blutflusses wird beeinträchtigt, was zu einem Verlust von Nährstoffen oder sogar von lebenswichtigem Sauerstoff führt. Im Gehirn kann sich durch den erhöhten Blutdruck der Hirndruck steigern – was wiederum zu Veränderungen der geistigen Fähigkeiten führen kann.

Die hochkomplexe und logistisch anspruchsvolle Untersuchung kombinierte Virtual-Reality-Technologie mit funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS), einer nicht-invasiven Bildgebungstechnologie zur Messung von Veränderungen der Sauerstoffversorgung im Blut im Gehirn. Ergänzt wurde dies durch ein System zur Verfolgung von Augenbewegungen, um die Aktivität von Gehirnbereichen zu messen, die an der motorischen Planung und Ausführung beteiligt sind.

Die mentalen Fähigkeiten und biologischen Prozesse der Astronauten werden in mehreren Phasen der Mission analysiert – mit Fokus auf die zerebrale Durchblutung sowie stoffwechselbedingte Veränderungen anhand von Speichelproben. Für die Tests zur Aufmerksamkeit, Planung und Bewegungskontrolle kommen psychologische Aufgaben in einer VR-Umgebung zum Einsatz.

Step in Space – Weltraumforschung als virtuelles Erlebnis

Das Projekt Step in Space (SiS) bringt Wissenschaft und Menschlichkeit der HUNOR-Mission in einem beeindruckenden VR-Erlebnis näher. Die interaktive Präsentation wird im HUNOR-Besucherzentrum, dem HUNIVERZUM in Budapest, zu sehen sein.

Die Anwendung richtet sich an die breite Öffentlichkeit und lädt zu einer virtuellen Reise auf die ein. Der virtuelle Rundgang führt Besucherinnen und Besucher zu den verschiedenen Einheiten der Internationale Raumstation, zu den Experimenten, die an Bord durchgeführt werden, ergänzt durch persönliche Erfahrungsberichte. Zudem kommen auch Forscherinnen und Forscher von der Erde zu Wort, die über die Herausforderungen berichten, mit denen die Entwickler in der Entwurfs- und Vorbereitungsphase konfrontiert waren, und wie diese gemeistert wurden.

Neues Raumforschungszentrum an der Medizinischen Fakultät in Pécs geplant

Die HUNOR-Mission ist nicht nur ein bedeutender nationaler Erfolg, sie unterstreicht auch, welch wertvolles wissenschaftliches Potenzial Ungarn in einem globalen Kontext besitzt. Künftig werden über zehn ungarische Forschungsteams über direkte Erfahrung in der Raumfahrtforschung verfügen. Die an der Universität Pécs durchgeführten Forschungen tragen zum besseren Verständnis des menschlichen Körpers bei, helfen, die Gesundheit von Astronauten zu bewahren und liefern technologische Innovationen für eine Zukunft, in der der Mensch im Weltraum keine Ausnahme mehr ist, sondern zur Normalität gehört.

Zukünftig sollen die Pécser Projekte in einem neuen Forschungszentrum an der Medizinischen Fakultät der PTE gebündelt werden. Dieses Zentrum wird eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglichen und – wie Dr. Miklós Nyitrai, Dekan der Fakultät bereits ankündigte – Teil eines zehnjährigen wissenschaftlichen Entwicklungsprogramms sein. Ein konkretes Ziel sei die Entwicklung einer Raumkapsel, die verletzte oder erkrankte Astronauten ohne medizinisches Fachpersonal diagnostizieren und behandeln könne. Viele der im Zuge dieser Forschung entstehenden Einzelergebnisse könnten zudem auch im Alltag nutzbar gemacht werden.

Foto: Szabolcs Csortos/UnivPécs